Dienstag, 24. Februar 2015

Weitab von einfachen Comicheften - Über gegenwärtige Brennpunkte in den aktuellen "Spirou"-Geschichten


Der neuste Ableger des "Spirou"-Magazins und somit des Verlags Dupuis erscheint offiziel am 24. Februar 2015 in den deutschen Verkaufstellen, war ebendort aber bereits früher erhältlich. Der Titel dieser von Fabien Vehlmann und Yoann Chivard geschaffenen Geschichte ist "Der Page der Sniper Alley" (Le groom de Sniper Alley).
© Carlsen
Informationen über die 75jährige Historie der Figur Spirous, des gleichnamigen Magazins und über vorherige Zeichner und Autoren können im ersten Eintrag dieses Blogs nachgelesen werden. Dieser Beitrag jedoch wird sich speziell mit diesem gerade in deutscher Übersetzung erschienenen Werk und seiner unmittelbaren Vorgeschichte befassen.
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Vehlmann und Yoann haben die laufenden Serie im Jahr 2010 übernommen und seither vier Titel geschaffen. Ihre "Spirou"-Geschichten sind hierbei sowohl zeitlich als auch inhaltlich fortlaufend, weshalb hier - allerdings stark verknappt und gerafft - deren Geschehnisse wiedergegeben werden sollen. Vehlmann und Yoann bedienen sich beim Personal und den Motiven ihrer Geschichten bei altbekannten Figuren und Ideen aus den Abenteuern Spirous. Sie tun ebendies jedoch in einer Weise, dass bei wechselnden Schauplätzen, Personen und Motivationen, dennoch ein Verlauf der Handlung suggeriert wird, nach dem es gar nicht anders möglich scheint, als wie es dann mittels Bild und Text berichtet wird.
Im ersten Band der laufenden Serie des Magazins, den Vehlmann und Yoann übernommen hatten, "Angriff der Zyklozonks" aus dem Jahr 2010, stehen rätselhafte Entwicklungen in Rummelsdorf im Vorderung. Entwicklungen, die in ihrer Darstellungsform an eine Seuche denken lassen, denn ganz Rummelsdorf wird vom Militär unter Qurantäne gestellt und die Bewohner des kleinen Dörfchens werden von den dort eingesetzten Soldaten dekontaminiert. Spirou und Fantasio sind jedoch nicht gewillt diese geheimnisvollen Geschehnisse auf sich beruhen und den Grafen von Rummelsdorft, von welchem sie einen Hilferuf erhalten haben, im Stich zu lassen.
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Im deren zweiten Band "Die dunkle Seite des Z", erstmals veröffentlich 2011, erzählen Yoann und Vehlmann von der Erschließung des Mondes und von der Geheimbasis des Zyklotrops. Auf der urbanisierten Rückseite der Mondoberfläche wurde ein luxerisöses Ferienresaultat für die Reichsten der Reichen errichtet, mit künstlichem Stand, schneebedeckten Berghängen für Skiabfahrten und vielem mehr. Dieser Vergnügungspark der Extravaganz soll es Zyklotrop, von welchem er errichtet wurde, ermöglichen seine geheimes Mondhauptquartiert und den Misserfolg seines letzten und den Erfolg seines nächsten Vorhabens zu finanzieren. 

Die gezeichneten Geschichten von Vehlmann und Yoann schaffen dabei etwas, dass bisher in den Abenteuern Spirous nicht dagewesen ist, sie sind - zumindest teilweise - selbstreflektiv und Verhandeln aktuelle Diskurse und Probleme der heutigen Gesellschaft. Selbsreflektiv sind sie nicht nur dadurch, dass Spirou wiederum für den Dupuis-Verlag namentlicht für das "Spirou"-Magazin tätig ist, sondern vor allem dadurch, dass eine fiktive Leserin des Magazns in die Handlung eingebunden wird, wie auch die vorherigen Geschichten als reale Erlebnissse innerhalb des Comics wiedergegeben werden, was zu einer innerfiktionalen Brechung der Erzählerinsatzen führt. 
Was am Besten auf der dritten Seite des 51. Bands im Gespräch Spirous mit Nina, der Leserin, deutlich wird. "Ich hab den Comic über euer Abenteuer gelesen! Stimmt es echt, dass du DIE LEUTE FRESSEN WOLLTEST?!", fragt Nina ebenda Spirou, der erwidert: "HrHrm... Na hör mal, natürlich nicht! Die Autoren sind ercht freizügig mit der Wahrheit umgegangen..." (Band 51, S.3).
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Der dritte Band "In den Fängen der Viper", dessen Inhalt episodenhaft 2012 im "Spirou"-Magazin zum ersten Mal abgedruckt worden ist, erzählt eine deutlich realere und hierdurch auch eindringlichere Geschichte, als es für die sonstigen Comics von "Spirou und Fanatsios" üblich ist. Denn in diesem Band steht das "Journal de Spirou" vor Gericht und zwar wegen des Vorwurfs der Inhalt des Magazins weise "reiserische[n] Sexismus, Vulgarität[, und] die systematische Verunglimpfug der moralischen Werte [...] [der] Gesellschaft"(Band 51, S.4) auf, was sodann zu einer Schadensersatzzahlung von einer Millionen Euro führt. Da das Magazin jedoch nicht über derartige Summen verfügt, steht es kurz vor der Insolvenz, ehe ein dubioser Geldgeber mit den nötign Finazmitteln einsspringt. Dieser Geldgeber, ein Hedgefond-Manager, handelt allerdings nur scheinbar im Interesse des "Spirou"-Magazins, was innerhalb dieses Comics recht schnell ersichtlich wird. Welche Auswirkungen die Spekutation an der Börse haben kann und hat, benennt dieses "Spirou"-Abenteuer ebenfalls und greift solcherart ein noch immer nicht gelöstes Problem der so titulierten "Finanzkrise" und des Börsencrashs 2008 auf.  
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Der vierte und gerade erschienene "Spirou"-Band der laufenden Serie von Fabien Vehlmann und Yoann Chivard "Der Page der Sniper Alley" hingegen hat nichts mit Börsenzockerei, der Bildung von Eliten oder mit unberechnenbaren Ereignissen zu tun, sondern stattdessen wird ein Kriegsgebiet in den Fokus der Handlung gerückt. Nachdem der letzte Herrscher des fiktiven Landes Aswana, welches den beiden Ländern Syrien und Irak nach empfunden ist, durch einen unbemannten Militäreinsatz hingerichtet wurde und somit der Krieg beendet scheint, werden Spirou und Fanatsio vom Mafiosie Don Cortizone, Vito dem Pechvogel, durch Verquickungen mit vorherigen Erlebnissen dahingehend erpresst, dass sie sich an der Suche nach einem verschollenenen archologischen Erbe beteiligen sollen. In dieser gezeichneten Schatzsuchergeschichte, die zum Teil explizit auf Motive und Bildelemente aus den "Indiana Jones"-Filmen rekuriert, wird jedoch neben der Abbildung der ambivalenten Lebenswirklichkeit von alliierten Soldaten, Rebelen und der Zivilbevölkerung auch die mediale Berichtserstattung und Auseinandersetzung von Kriegshandlungen und gezielten Tötung von Staatsfeinden behandelt. Trotz der relativ realen Verhandlung ebendieser Verhältnisse ist "Der Page der Sniper Alley", gerade durch seine teils slapstickartige Erzähl- und Zeichenweise, die eine Distanz zu den tatsächlichen Ereignissen schafft, nicht durchweg ernüchternd und kritisch, wie etwa Ville Tietäväinen (1970-) ausgezeichnete Graphic Novel "Unsichtbare Hände", sondern detailreich, vielschichtig und dabei stets Gegebenes hinterfragend. Was unter anderem auch daran ersichtlich ist, dass beispielsweise auch indirekt auf die gegenwärtige Plünderung von Kulturstätten verwiesen wird. 
Yoann Chivard und Fabien Vehlmann, die bei diesem Band von Laurence Croix (Farben) und Fred Blanchard (Desidns) unterstützt wurden, rücken mit der Suche nach archologischen Funden ein Thema aus ihrem "Spirou"-Sonderband „Die steinernen Riesen“ aus dem Jahr 2006 abermals in den Vordergrund und bedienen sich zudem auch bei Figuren aus diesem Werk sowie aus "Die dunkle Seite des Z". Ferner hat Gaston Lagaffe einen kurzen Gastauftritt in einer drei Panel umfassenden Rückblende Fantasios. 
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Die Figur des Gaston Lagaffe ist ebenso wie die des Marsupilami, die sich auf einer einseitigen Abbildung aus dem Jahre 2013 am Ende dieses Bandes finden lässt, nur möglich, da der Dupuis Verlag die Rechte von André Franquin (1924-1997) jüngst übernommen hat. 
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Wie bereits bei den vorherigen Bänden werfen die Panels auf der letzter Seite des neusten Bands von Vehlmann und Yoann einen Blick voraus auf die wohl folgenden Ereignisse und so wird sich das neuste Abenteuer Spirous anscheinend mit dem Marsupilami, dessen Entführung und den Folgen dieser beschäftigen, womöglich aber auch nicht. Es wird zumindest in den beiden letzten Panels ein Rückgriff auf André Franquins Werke "Eine aufregende Erbschaft" und "Die Entführung des Marsupilamis" suggeriert.  

Yoann Chivard und Fabien Vehlmann haebn nach der Übernahme der laufenden "Spirou"-Serie zu verstehen gegeben, dass sie "den Geist der klassischen 'Spirou'-Geschichten für eine moderne Lesergeneration [...] adaptieren"(Band 52, S.51) wollen, was ihnen bereits durch die Formulierung neuer und aktueller Themengebiete in den einstigen Kindergeschichten und somit einem veränderten Erzählton zu gelingen scheint.  
 
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Die in diesem Beitrag verwendeten Bilder entstammen dem vom Carlsen Verlag der Presse zur Verfügung gestellten Material. Hier verwandte Informationen enstammen auch den jeweiligen Anhängen der "Spirou"-Bände. 

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