Samstag, 3. Dezember 2016

Warten auf das Jüngste Gericht


Vormodernes Denken in Martin McDonaghs Film „Brügge sehen ... und sterben?“ 

Flapsig formuliert könnte man sagen, dass die Vormoderne vor der Sattelzeit beginnt, also jedwede Vorstellungen umfasst, die aus Früher Neuzeit und nicht mehr aus der fortgeschrittenen Aufklärung stammten. Folglich wären vormoderne Denkformen lediglich Denkformen dieser Zeit.
Allerdings verkennt eine solch verknappte Definition, die die Vorstellungen der Menschen gewissermaßen nach dem Kalender abhängig von ihrer Jahreszahl teilt, dass viele der voraufklärerischen Weltansichten und Einstellungen einerseits auf eine lange Tradition zurückgehen, welche mitunter womöglich gar nicht mehr genau zu fassen ist, und andererseits manche von ihnen auch nach der Aufklärung noch immer, teils bis zum heutigen Tage, das Denken der Menschen bestimmt haben. Dementsprechend sind vormoderne Denkformen ebenfalls in aktuellen Überlegungen enthalten, auch wenn sie nicht als solche erkannt werden müssen oder aber vom kritischen Denken in den Bereich des Aberglaubens zurückgedrängt wurden. Dieser Blogeintrag wird sich mit jenen Spuren vormodernen Denkens beschäftigen, die sich in Martin McDonaghs „Brügge sehen … und sterben?“ finden lassen. 
Der Film erzählt die Geschichte von „[z]wei Killer[n] auf Erholungsurlaub“[1], wie der Werbetext auf der Rückseite der DVD dem Lesenden mit seinen ersten Worten weiszumachen versucht. Dass Ray (Colin Farrell) seinen ersten Auftrag dahingehend nicht souverän erfüllt hat, dass er anstatt dem Mord an Father McHenry (Ciarán Hinds) nicht nur diesen, sondern gleichfalls auch einen kleinen Jungen in einem katholischen Gotteshaus in London tötete und er mit seinem ihn angeworbenem Partner Ken (Brendan Gleeson) auf Geheiß ihres Bosses Harry (Ralph Fiennes) in Brügge untertauchen soll, davon wird erst im dritten Satz zu lesen sein, auch wenn es gerade diese Beschreibung der Ereignisse ist,[2]mit der der Film einsetzt (0:00:59 - 0:01:27). Ken erhält nach längerem Warten von Harry den Auftrag Ray für seinen Fehler zu töten, Ken jedoch widersetzt sich dieser Anweisung und versucht Ray zur Flucht zu verhelfen, nachdem er ihn zuvor von einem Selbstmord abgehalten hat. Daraufhin begibt sich Harry selbst nach Brügge. Harry schießt auf Ray und tötet hierbei den kleinwüchsigen Schauspieler Jimmy (Jordan Prentice).  Da er ihn für ein Kind hält, erschießt sich Harry sodann selbst. Zum Ende des Films ist nicht gewiss ob der angeschossene Ray überleben wird. Darüber hinaus hat sich Ray im Verlauf des Filmes einer Bewohnerin Brügges namens Chloë (Clémence Poésy) angenähert und versucht der schwangeren Marie (Thekla Reuten), der Besitzerin des Hotels, in dem er und Ken untergekommen sind, Geld für ihr noch nicht geborenes Kind zu geben, ehe er sich das Leben nehmen wollte.

Im Folgenden soll sich über die verschiedenen Bildnisse, die im Film während des Besuchs von Ken und Ray im Groeningemuseum abgefilmt wurden, der Glaubensvorstellung des Jüngsten Gerichts genähert werden. Vom Jüngsten Gericht ausgehend werden hierauf weitere biblisch begründete Vorstellungen in „Brügge sehen … und sterben?“ betrachtet werden. Worauf sich dieser Beitrag mit den verschiedenen Todesarten, die im Film gezeigt werden, beschäftigen wird.

Die Abrechnung am Lebensende

Zwei Kinder an den Händen ihrer Eltern (0:22:29 - 0:22:43) lassen Ray an die Ermordung von Father McHenrys und die unbeabsichtigte Tötung des kleinen Jungens denken (0:22:44 - 0:24:19). „McDonagh shifts directly from the image of the dead child and priest to the Groeninge Museum, where we see three paintings“[3]. Diese drei Bilder sind in der Reihenfolge ihrer Ablichtung: Jan Provoosts „Der Geizhals und der Tod“, Gerard Davids „Das Urteil des Cambyses“ und das Weltgerichtstriptychon „des Groeningemuesums in Brügge, das mittlerweile als eine Arbeit der Werkstatt oder eines Malers im Umkreis Boschs gilt“[4] und nicht mehr als Hieronymus Boschs Arbeit.
All three images directly link judgement with violence. David’s painting gives us a prone figure who is being skinned alive; Provoost’s displays a ‚skeletal death come to collect his due‘ […]; and Bosch’s terrifing image shows dozens of people being dragged away to hell, some of them being eaten alive by demonic figures.[5]
Auf diese Weise sind die religiösen Zeichen, die in Martin McDonaghs „Brügge sehen … und sterben?“ dem Publikum dargeboten werden, schon über den filmischen Kontext determiniert. „Ray’s ‚confession‘ of the crime he is about to commit initially appears callous, but in fact it reveals his capacity of guilt – it shows, that is, that even if he has left Catholicism behind, it ‚never really leaves you‘.“[6] Was auch daran ersichtlich wird, dass ehe Ray Father McHenry tötet, er zeigt, dass er da Sakrament der Beichte beherrscht.[7]
Maßgeblich für das wohl intendierte Verständnis der christlichen Symbolik von „Brügge sehen … und sterben?“ sind das Jüngsten Gericht und das damit verbundene Einfordern der zu begleichenden Schuld, die in allen drei Gemälden als Motive vorherrschend sind, sowie die Visualisierung des Weltgerichtstriptychons an Schlüsselstellen innerhalb der Handlung des Filmes.[8] Und zwar im „Boschain nightmare“ (1:19:30 - 1:19:34), wie es auf Seite 75 in McDonagh Drehbuch heißt,[9] in den letzten Einstellungen des Filmes (1:33:11 - 1:36:30), dem ersten Treffen Chloës (0:12:08 - 0:12:13) und dem Abbilden des Triptychons selbst, in verschiedenen Detailaufnahmen (0:25:11 - 0:25:58). 

Das Jüngste Gericht

„Bis ins Zeitalter des wissenschaftlichen Fortschritts haben die Menschen bereitwillig an eine Fortsetzung des Lebens nach dem Tode geglaubt. Dieser Glaube lässt sich bereits bei den frühsten Grabopfern des Moustérien konstatieren“[10] und führte dazu, dass dieses Element einen „allen alten Religionen und dem Christentum gemeinsamen Fundus“[11] bildet.
Im Christentum wurde, auch wenn sich die jeweiligen Vorstellungen im Verlauf der Zeit veränderten,[12] „die sehr alte Vorstellung des Weiterlebens in einer traurigen und grauen Unterwelt und die jüngere, weniger volkstümliche und strengere eines moralischen Gerichts wiederaufgenommen.“[13] Die Darstellung des Jüngsten Gerichts fehlte anfänglich in den christlichen Abbildungen, die das Ende der Zeit thematisierten.[14] Vorerst war die Ikonografie der Apokalypse aus der Offenbarung des Johannis vorherrschend, die sich jedoch im 12. Jahrhundert mit der zweiten Thronbesteigung Christi aus dem 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums zu überlagern begann.[15] Dementsprechend vermittelt die Paulusapokalypse mit der Vorstellung von Paradies und Höllen gleicher Unterwelt, gemeinsam mit dem 25. Kapitel des Matthäus-Evangeliums und nicht christlichen, allen voran ägyptischen überlieferten Glaubensvorstellungen, das mittelalterliche Verständnis des Jüngsten Gericht und den jeweiligen Möglichkeiten für die Gläubigen im Jenseits.[16] In der Bildgestaltung setzten sich im 13. Jahrhundert die Visionen des Jüngsten Gerichtes durch, während sich die der Apokalypse abschwächten.[17]
Unter den Vorzeichen des Jüngsten Gerichts und dem dortigen Wägen jedes Augenblickes eines einzelnen Lebens[18], verlieren sich „[d]ie Handlungen eines jeden Menschen […] nicht mehr im grenzenlosen Raum der Transzendenz oder – wenn man so will – im kollektiven Geschick der Gattung.“[19] Vielmehr liegt jetzt auf dem individuellen Lebenslauf, der rückblickend betrachtet wird, der Fokus des Jüngsten Tages.[20] Denn „[d]as Leben wird jetzt nicht mehr als Hauch (anima, spiritus), als Vermögen (viritus) aufgefaßt. Es setzt sich aus einer Summe von Gedanken, Handlungen und Worten zusammen“[21], die ebenda genau bewertet wird. Dieser exakte Blick war deshalb so wichtig, da „[d]er mittelalterliche Glaube […] nicht nur zwischen den Guten (boni) und den Bösen (mali) [unterschied], sondern […] zudem noch die weniger Bösen (non valde mali) und die relativ Guten (non valde boni)“[22] differenzierte. Eine Einteilung, die Ray Ken gegenüber ebenfalls zu Ausdruck bringt: „Purgatory. Purgatory’s kind of like the inbetweeny one. ‚You weren't really shit, but you weren‘t all that great, either.‘ Like Tottenham“[23] (0:25:49 - 0:26:00). Im Gespräch zwischen Jimmy, Ken und Ray im Hotelzimmer des Schauspielers meint Jimmy bezüglich seiner ganz persönlichen künftigen Kriegsvorstellungen, Vorstellungen der gewissermaßen letzten Schlacht: „You don't decide this shit, man. Your side’s allready picked for ya“[24] (0:50:54 - 0:50:08). Seine rassistische Annahme ist also „that our role in the forthcoming battle will be determined by our ethic identity rather than by our will, our beliefs, our principles. Opting out is certainly no a possibility. Race thus becomes a kind of ‚orginal sin‘, something that dooms us to certain inevitabilities before we are even born.“[25] Jimmys Einteilung der Welt in zwei Seiten, die von vornherein unausweichlich zu sein scheinen, erinnert an die Gewissheit des Jüngsten Gerichts, welches mit Bestimmtheit, jedoch ebenfalls unter anderen Parametern, eine Zweiteilung der Menschen vornimmt. „[I]t’s Ken rather than Ray who rejects the idea that his fate is predetermined“[26] und durch Kens Argumentation, die ebendiese Annahme hinterfragt, entsteht in dieser zweigeteilten Weltsicht die Möglichkeit einer dritten Option, die in Jimmys Antwort „(pause) I think you need to weigh up all your options and allow your conscience decide, Ken.“[27] (0:51:33 - 0:51:42) enthalten ist. Es entsteht die Möglichkeit sich nach den eigenen Wertvorstellungen zu entscheiden. Das Wägen der eigenen Ansichten und Einstellungen weist wiederum auf ein noch zu fällendes Urteil hin und hierdurch indirekt auch auf den Erzengel Michael, der die Seelen in Gerichtsverhandlung des letzten Tages auf Erden wägen soll.[28] Die Referenzen in Jimmys Aussagen auf das Jüngste Gericht werden dadurch besonders offensichtlich, da sich Ken und Ray zuvor über ihren Besuch im Groeningemuseum und den dortigen Bilder dem Themenkomplex des Jüngsten Gerichts bereits gewidmet hatten.
Jan Provoost: Der Geizhals und der Tod

Die ersten beiden Gemälde, die der Film zeigt

Der Ausschnitt, der von Jan Provoosts Werk „Der Geizhals und der Tod“ im Film präsentiert wird (0:24:19 - 0:24:29; 0:24:59 - 0:25:03), zeigt den mittleren Teil des Bildes, auf dem zwar der Zettel, der dem Tod gereicht wird, sowie das Buch, auf welches sich der Geizhals beruft, zu sehen sind, die Münzen auf dem Tisch allerdings nicht. Dieses Gemälde wird von Ken betrachtet und dem Zuschauenden zuvor in einer Überblendung des Mordes von Father McHenry und dem kleinen Jungen vorgeführt (0:24:15 - 0:24:25). Über das Papierstück in der Hand des toten Kindes (0:23:24 - 0:24:19) und den Zettel in der Hand des Todes in Provoosts Werk (0:24:19 - 0:24:27) wird auf der Bildebene des Filmes eine nicht nur durch die Überblendung bestehende bildliche Verbindung vollzogen. Über den Aspekt des Niederschreibens seiner vermeintlichen Sünden wird zum einen das Leben des kleinen Jungen in „Brügge sehen … und sterben?“ und zum anderen durch dieses auch auf das Buch in der Hand des Geizhalses in Provoosts Bild Bezug genommen. In der Motivik des Christentums gewann das Buch deshalb so an Bedeutung, da die Vorstellung auftauchte, „daß jeder Mensch eine persönliche Biographie habe und daß sich auf diese bis zum letzten Augenblick einwirken ließe. Die Entscheidung über die Qualität des Lebens fiel im Augenblick des Todes.“[29]
Die Vorstellung einer persönlichen Biografie, die anfangs lediglich aus den guten und bösen Taten des jeweiligen Individuums bestand, für welche am Tag des Jüngsten Gerichts einzustehen war, verbreitete sich seit dem 12. Jahrhundert und ging vordergründig von den Mächtigen, Gebildeten und Reichen aus.[30] Dass das Motiv des Buches für die eigene Biografie und somit als ein Sinnbild für das Aufrechnen von Gutem und Bösem verwandt wurde, lag maßgeblich daran, dass das Buch in einer ähnlichen Funktion bereits in den biblischen Texten beschrieben worden war.
Das Symbol des Buches ist aus der Heiligen Schrift seit langem vertraut. Man begegnet ihm bereits beim Propheten Daniel: „[…] Zur selbigen Zeit aber wird dein Volk errettet werden, alle, die im Buche geschrieben stehen.“ […] Und noch im fünften Kapitel der Offenbarung Johannis liest man: „Und ich sah in der rechten Hand des, der auf dem Stuhl saß, ein Buch, beschrieben inwendig und auswendig, versiegelt mit sieben Siegeln.“[31]
Über das Motiv des Buches und in Provoosts „Der Geizhals und der Tod“ ebenfalls über das Feilschen und genaue Bemessen wird eine weitere alttestamentarische Moralvorstellung, die sich im Bibelzitat „Auge um Auge, Zahn um Zahn“[32] am greifbarsten fassen lässt, als moralische Instanz im Film erkennbar.[33] Was sich zum einen darin zeigt, dass Ken Ray auffordert ein anderes Kind zu retten (0:59:23 - 1:00:11), „Ray achieves something like redemtion by ‚saving the next child‘ when he persuades Harry ot to risk Marie being shot in a crossfire“[34], und zum anderen Ray in Erwägung zieht sich selbst, im Sinne von „Harry’s ,eye for an eye‘ solution“[35], für den Tod des Kindes zu töten. Was in Rays Aussage Ken gegenüber (0:28:25 - 0:29:20) deutlich wird:
But because of the choices I made, and the course that I put into action, a little boy isn't here any more. […] And that‘s all because of me. He is dead because of me. And I‘m trying to... I‘m trying to get my head round it, but i can‘t. I will always have killed that little boy.  And that ain‘t ever gonna go away. Ever. Until, maybe, I go away.[36]
Auch besitzt Geld, jedenfalls für Ray, eine Beziehung zum Verrechnen der eigenen Taten und fügt sich somit in die christliche Motivik des Buches und von Harrys „Auge um Auge“-Einstellung ein. Denn einerseits ermordet Ray Father McHenry für Geld und andererseits versucht er durch die Gabe von 200 Euro an Maries künftiges Kind seine Schuld am Tod des kleinen Jungen zu mildern. 
Gerard David: Das Urteil des Cambyses
Während Ken Jan Provoosts „Der Geizhals und der Tod“ betrachtet, sieht sich Ray das Werk „Das Urteil des Cambyses“ von Gerard David an. Der Umstand, dass Provoost Gerard als Maler für ein Bildnis des Jüngsten Gerichts im Brügger Rathaus ablöste, nachdem dieser gestorben war,[37] belegt wie vertraut und elementar diese Vorstellung des Christentums für beide Maler gewesen war.
Von Gerard Davids „Das Urteil des Cambyses“, dass im Unterschied zum eigentlichen literarischen Stoff, der in Herodotus „Historiae“ oder in Valerius Maximuss „Facti et dicti memorabilia“ geschildert wird, die Verhaftung des Sisamnes auf der linken Bildtafel abbildet,[38] wird in „Brügge sehen … und sterben?“ nur die rechte Seite des Bildnisses gezeigt (0:24:03 - 0:24:44). David erzählt in seinem Werk insgesamt vier Geschichten: „the bribing of Judge Sisammes in the backround oft he left panel; the judge’s eventual arrest in the foreground […]; the grisly flaying of the corrupt Sisammes, dominating the right scene; and the further reminder of the events in the depiction of Sisammes’ son obliged to sit in judgement on a seat covered with his father’s skin“[39]. Dass die linke der beiden Leinwände, welche die Bestechung, aber hauptsächlich die Verhaftung des Sisamnes zeigt, in diesem Werk so gewichtig dargestellt ist und hierbei von der literarischen Vorlage abweicht, obwohl David als „kein entschiedener Neuer, vielmehr ein Wahrer der Überlieferung“[40] galt, liegt vermutlich daran, dass sich David, „as Van der Velden points out, […] on a medieval tradtion featuring the story of Cambyses as an exemplum of just judgement“[41] orientierte. Dementsprechend ist „the meaning of the Justice of Cambyses […] consistent with the general theme of the administration of fair and unbiased judgements“[42], was durch den in „Brügge sehen … und sterben?“ dargebotenen Kontext abermals den Aspekt des unverfälschten und gerechten Weltgerichts bekräftigt. Neben dem Rückgriff auf das mittelalterliche Exempel,[43] wird jedoch über die dem Publikum im Detail gezeigten Häutungsabbildungen eine veränderte Narration der eigentlich vier Episoden umfassenden Geschichte vorgeführt, die die gewaltsame Bestrafung in den Vordergrund rückt. Ray reagiert angesichts der ihm vor Augen geführten Qual des Schuldigen Sisamnes auch mit jenem Unbehagen ob der grausamen Strafe, die solcherlei Darstellungen beim sündigen Betrachter verursachen sollten.[44]
Das Weltgerichtstriptychon im Groeningemuesum

Das Weltgerichtstriptychon

Die Zuspitzung des Gerichtsthemas auf laster- und sündhafte Höllenszenerien ist paradigmatisch für den Maler Hieronymus Bosch. Welch maßgeblichen Einfluss er damit auf die ihm nachfolgenden Generationen ausübte, zeigt beispielshaft das Weltgerichtstriptychon in Brügge […], das von einem Werkstattmitarbeiter oder einem Maler im unmittelbaren Umkreis Boschs gefertigt wurde. […] Die Mitteltafel zeigt eine höllische Landschaft, in der die Menschen von Dämonen, Mischwese und riesigen Maschinen gequält werden: Ein gigantisches Messer trennt Gliedmaßen ab und ein Mühlstein zerquetscht hilflose Opfer. […] Die himmlische Szenerie der linken Tafel unterscheidet sich kaum von der infernalen, obwohl ein friedlicher Ausblick auf eine weite Landschaft mit Bäumen und Seen zu erkennen ist. […] Nur ganz klein im Hintergrund ist der Aufstieg einiger weniger Seelen in das himmlische Paradies auszumachen.[45]
Die auf die mittlere Tafel des Triptychons übergreifende Höllenszenerie, wie sie auch bei Boschs Wiener Triptychon zu finden ist, verlagert den eigentlichen dreigeteilten Fokus eines Triptychons mit der zentralen Mitteltafel und betont hierdurch die höllischen Qualen der Sünder, was darüber hinaus ebenfalls durch die Auswahl von nur wenigen Seelen für das Himmelsreich verdeutlicht wird.[46] Anhand dieser Abbildungen wurde „[d]em Betrachter […] das erschreckende Bewusstsein vermittelt, eines Tages in dieser Weise bestraft zu werden“[47], was ihn zum Überdenken seiner Taten und der rechtzeitigen Umkehr auf einen bereuenden und büßenden Weg bringen sollte.[48] In „Brügge sehen … und sterben?“ wird dieser Umstand außerdem dadurch bekräftigt, dass nur Detailabbildungen der mittleren Tafel des Triptychons gezeigt werden.  
Die „hybriden Geschöpfe [im Weltgerichtstriptychon] sind eine extravagante Weiterentwicklung eines in der mittelalterlichen Kunst häufig eingesetzten Motivs.“[49] Dass solche dämonischen Kreaturen[50] und infernalen Szenerien „mit all der technischen Meisterschaft“[51] gemalt worden sind, „die Künstler normalerweise der illusionistischen Darstellung der natürlichen Welt widme[te]n“[52], führte über die Kirchenkunst dazu, „daß alle Menschen des Mittelalters auf Erlösung hofften und der Tag des Jüngsten Gerichts von niemandem bezweifelt wurde.“[53] Für Ken und Ray entfalten jene drei Bilder, hauptsächlich aber das Triptychon des Weltgerichts dieselbe Wirkung, da beide hierauf über „The Last Judgement and the afterlife and... guilt and... sins and... Hell and... all that...?“[54] zu sprechen beginnen und ihre jeweiligen Sichtweisen darlegen (0:25:11 - 0:29:24). „Eventually, the two men acknowledge that they are really discussing what divine punishment may await them for the murders they have committed“[55] und gerade durch die Nahaufnahmen der unterschiedlichen Folterpraktiken, die in Anlehnung an Boschs Weltgerichtstriptychon für die verschiedenen Todsünden stehen,[56] wird die sie erwartende Bestrafung beiden Protagonisten offensichtlich.
Aufgrund ihrer katholischen Erziehung erwartet Ray nicht nur „the judgement of Harry - he is also awaiting the judgement of his God, haunted as he is by the teachings from his Roman Catholic childhood. This is never clearer than during the scene in which Ray and Ken visit the art museum.“[57]

Weitere biblisch begründete Vorstellungen

Neben den christlichen Vorstellungen, die sich im Film direkt auf die drei im Groenigmuseum und von Ken und Ray jeweils intensiv betrachteten Bilder beziehen, gibt es auch solche, die dies nur indirekt tun.

Das Fegefeuer

David Clare sieht in der Verwendung jener drei Gemälde aus dem späten 15. und frühen 16. Jahrhundert mit ihrer Motivik des Jüngsten Gerichts eine gezielte Inszenierung von Brügge als einem Ort, der für Ray dem Fegefeuer gleichkommt. Clare meint deshalb in Bezug auf das Weltgerichtstriptychon: „further viewings reveal the symbolism from the painting to be a key component in McDonagh’s careful and deliberate plan to suggest that Bruges in the film represents Purgatory.“[58] Clare sieht in Rays mangelndem Amüsement in Brügge und seinem fehlenden kulturellen Interesse[59], seiner Abscheu an diesem Ort zu sein und seinem Schmerz angesichts der Ermordung des Jungen, die Ray im Verlauf des Filmes immer wieder deutlich vorgeführt wird,[60] Brügge als Repräsentation des Fegefeuers für Ray.[61] Auch in der Wortwahl, die zur Beschreibung von Brügge und seiner Eigenschaften verwendet wird, „other-worldly“, „dream-like“ und „fairy-tale“, aber auch in Rays wiederholter Bezeichnung der Stadt als „shithole“, seien diese Verbindungen zum Totenreich zu finden.[62]
Diese Verbindung sei auch durch das unwirkliche Erscheinungsbild Brügges in den ersten Einstellungen des Filmes präsent, in denen religiöse Verzierungen, wie ein Wasserspeier und Heilige auszumachen sind (0:00:21 - 0:00:51).[63] So würde „[a]s in the theological Prugatory, Ray’s soul and perspective are purified by his time spent in Bruges.“[64] McDonagh bejahte in einem Interview die Interpretation des im Fegefeuer Gefangenen für die Situation, die er in „Brügge sehen … und sterben?“ darzustellen versuchte,[65] hierauf verweist jedenfalls David Clare.[66] Diese Deutung Brügges ist im Zusammenhang mit der bereits erläuterten christlichen Vorstellung des Jüngsten Gerichts als Ort für jene Seelen, die „als non valde mali oder als non valde boni galten […] [und] eine Aussicht auf himmlische Gnade“[67] hatten, die Ray mit seiner Aussage „Purgatory’s kind of like the inbetweeny one. ‚You weren't really shit, but you weren‘t all that great, either.‘“[68] gleichfalls teilt (0:25:49 - 0:26:00), stringent. Denn das Fegefeuer wurde einerseits als himmlischer Vorraum gedacht, den es zuerst zu durchschreiten galt, ehe man von seinen Sünden gereinigt den Himmel betreten konnte.[69] Andererseits gab es jedoch auch das Verständnis, welches keine Position der Kirche war, dass das Fegefeuer eine Art „Zwischenperiode zwischen dem Tod und der endgültigen Entscheidung [war], in der alles gerettet werden kann.“[70] Beide Varianten haben jedoch gemein, dass sie einen Übergangsbereich bilden. 
Dass Ray, der anscheinend noch zu richten ist, sich die gesamte Zeit der Handlung in Brügge befindet, er die Stadt nicht verlassen kann, als er es mit dem Zug versucht (1:00:55 - 1:06:58), und er von einer ihm hierarchisch übergeordneten Person vor dem Beginn des Films anscheinend aufgefordert wurde nach Brügge zu gehen,[71] unterstreicht den Umstand, dass Brügge als Fegefeuerrepräsentation gesehen werden kann, was auch im eigentlichen Titel des Films „In Bruges“ deutlicher anklingt, als beim deutschen Titel. Auch der ungewisse Ausgang des Films lässt sich in dieser Weise verstehen:
One of the most striking features of the film as a whole is its cliff-hanger ending – as the credits roll, we do not know Ray ultimately lives or dies. This is crucial to McDonagh’s Purgatory theme.[72]
Dass Brügge hier als Repräsentation des Fegefeuers fungiert, heißt aber auch, dass das Urteil über Ray noch nicht gefällt wurde. Der Film „Brügge sehen … und sterben?“ spielt allerdings auf ein Urteil nach dem Ende des Filmes oder zumindest den Anfang von Rays individualisiertem Jüngsten Gericht an.[73] Einerseits spricht das Verlassen Brügges mit dem Filmende – jedenfalls für die Zuschauenden – und dem abermaligen Einsetzten der Erzählerstimme von Ray dafür und andererseits findet sich unter den am Ende auf ihn hinabblickenden Figuren (1:36:00 - 1:36:40) auch Maire (1:36:14 - 1:36:22). „Marie […] is likewise staring down at Ray, and McDonagh writes that she is looking down at Ray ,from somewhere almost heavenly … [with her] gentle, angelic, smiling face‘“[74], was ein weiterer Hinweis auf das Jüngste Gericht sein könnte. Denn mit Marie ist ein Verweis auf Maria und ihre Funktion innerhalb des Jüngsten Gerichts gegeben,[75] wie sie auch im Weltgerichtstriptychon von Hieronymus Bosch zu finden ist, während es auf dem Weltgerichtstriptychon im Groeningemuseum Engel und die Jünger sind, die Jesus in seiner Richterfunktion zur Seite stehen.[76] Durch die Inszenierung des „Boschain nightmare“, der Figuren in Anlehnung an das Weltgerichtstriptychon über die Dreharbeiten der Filmcrew in die Handlung des Filmes integriert (1:33:11 - 1:36:30), wird der Beginn des Jüngsten Gerichts auf der Bildebene gleichfalls impliziert.

Die Sünde

Ihrer Schuldigkeit beziehungsweise ihrer Sünden sind sich die Figuren dieses Films durchaus bewusst, was sich unter anderem im Gespräch der beiden Protagonisten nach ihrem Besuch im Groeningemuseum[77] (0:25:00 - 0:29:24) oder im Fall von Harrys Selbsttötung (1:33:55 - 1:35:44) zeigt. „Sünde ist [nach christlicher Lehre] zuerst als Tat, eben als ,Fall‘ zu verstehen, als aktives Brechen mit dem göttlichen Anfang, als aktives Heraustreten aus der göttlichen Ordnung, als Verlassen der gottgegebenen Stellung.“[78] Weshalb nach christlicher Lehre „[d]er Menschen Sünde […] immer ein Moment der Schwachheit, der Ungeistigkeit, der Sinnlichkeit an sich“[79] hat. In „Brügge sehen … und sterben?“ wird die eigene Handlungslosigkeit dem Tod gegenüber[80] in Ray Aussage „I will always have killed that little boy. And that ain‘t ever gonna go away. Ever“[81] offensichtlich, die seine Ohnmachtserfahrung ausdrückt. Auch wenn „Sündhaftigkeit […] als der Normalfall menschlicher Existenz“[82] galt, blieb Sünde dennoch die Abkehr von Gott und folglich erkennt Ray auch seine Schuldigkeit.
Im Gegensatz zum kleinen Jungen, der auf ein Papierstück seine vermeintlichen Sünden geschrieben hat (0:23:55 - 0:24:03), „[a]s the filmscript tells us, ,it reads „1. Being moody. 2. Being bad at maths. 3. Being sad“‘ […]. Of course, none of those faults can reasonably be considered a ‚sin‘“[83], sündigen Ray und andere Figuren, zumindest implizieren ihre Taten diese Deutung. Ray ist gierig, denn er tötet für Geld, womit er gegen das Gebot „Du sollst nicht töten“ verstößt, er stiehlt, die Drogen Chloës, und frönt der Wollust, was auf Jimmys Hotelzimmer am deutlichsten wird. Ken und Jimmy ihrerseits teilen mit Ray den Aspekt der Wollust und den Drogen bedingten mutwilligen Kontrollverlust. Der Konsum von Drogen befördert im Sinne einer christlichen Lehre gewissermaßen die Vorstellung, dass „[j]e mehr sich der Mensch mit der Sünde einläßt, desto mehr […] er unter die Herrschaft – nicht nur der Sünde, sondern auch dämonischer Mächte“[84] gerät. Dass die Drogen in „Brügge sehen … und sterben?“ als eine Zuwendung zum Bösen verstehbar sein könnten, wird zudem am Gefäß, in dem sie aufbewahrt werden (0:44:24 -0:44:48), fassbar, denn dieses Gefäß hat die Form eines „Frosch[s] (einer Inkarnation des Teufels)“[85]
Zwar kennt das Christentum die Lust seit dem Sündenfall,[86] speziell nachdem von Seiten der Kirche „,die Ehe als Ausdruck der Schöpfungsordnung [bejaht worden war] und […] [sie] sich entsprechend scharf gegen Ehebruch, Hurerei […]‘“[87] wendete. Etwas, dem Jimmy nachgeht und Ray nicht abgeneigt zu sein scheint, was an seiner Aussage „See, Ken, this is the sort of hotel Harry should’ve put us in. A five star, with prostitutes in.“[88] (0:49:20 - 0:49:26) ersichtlich wird.
Dass das getrocknete Blut von Jesus Christus in der Basilika des Heiligen Blutes in gewissen Zeiten wieder flüssig werden soll, ist zum einen ein Sinnbild für seine abermalige Wiederkunft und den damit verbundenen Beginn der Apokalypse, zum anderen ist das Blut Jesu aber auch ein Symbol für das Vergeben von Sünden und geht in seiner Tradition auf das Blut der Opfertiere zurück.[89] Denn die christliche Lehre hat „das Heil des Menschen der Fleischwerdung und der Auferstehung Christi überantwortete. Deshalb ist im paulinischen Christentum der Tod durch die Sünde in die Welt gekommen, und der physische Tod ist Zugang zum ewigen Leben.“[90] Für David Clare wandelt sich Ken in der Basilika des Heiligen Blutes zu einer Erlöserfigur, in dem er sich entgegen Ray und dessen Ansichten dem Blut Jesu nähert, im Glauben an die Bedeutung des Blutes Jesu und somit von seinen Sünden gereinigt wird.[91]

Die Erlöserfigur

David Clare verweist ferner darauf, dass Ken dadurch, dass er mehrfach versucht Rays Leben zu retten, wofür er schließlich sein eigenes Leben opfert, zu einer Jesus gleichen Figur wird.[92]
Jene Darstellungsweise ist für Clare gleichfalls in den Gesprächen präsent, nicht nur in den Handlungen der Figuren, auch wenn Ken durch das Beiseitelegen seiner Waffe seinen Willen nicht zu kämpfen unterstreicht (1:17:25 - 1:17:50). „His profession to Harry that ,I love you unreservedly‘ […] echoes the unconditional love of Jesus for his friends and enemies.“[93] In der Antwort Harrys, die Ken mit „Robert fucking Powell“ vergleicht, und der darauffolgenden Erklärung Harrys, dass Robert Powell Jesus im Film „Jesus von Nazareth“ spielte, wird diese Annahme bestärkt (1:17:51 - 1:19:26).[94] Eine weitere Parallele zur biblischen Passionsgeschichte lässt sich in Kens letzten Minuten im Film finden (1:23:05 - 1:27:10).
He drags his dying, bloody body up several flights of steps – like Jesus on his way to the cross, Ken’s own personal Via Dolorosa. And, as Lloyd Baugh has observed, a representation of ,the suffering Jesus carrying his cross to Calvary‘ is ,almost always‘ included in films featuring Christ-figures[95].
Dementsprechend übermittelt die Narration von „Brügge sehen … und sterben?“ Kens hierauf folgenden Sprung vom Aussichtsturm nicht als Selbstmord sondern als glorifizierten Freitod und zwar durch die ihn abermals zu einer Jesusfigur stilisierenden Opferung der eigenen Person für ein anderes Leben. Die ausschlaggebende Textzeile in Patrick Kavanaghs „On Raglam Road“, dem Lied, mit dem der Sprung Kens vom Aussichtsturm eingeleitet wird, „is the description in the final verse of the angel who ,lose[s] his wings at the dawn of the day‘[…]. This evokes the concept of Christ’s incarnation, in which Jesus abandoned his home in heaven to be of service to humankind, even though it meant great suffering and death.“[96] Rays direkt aufeinander folgenden Ausrufen „Ken! Jesus!“ als er Kens auf dem Boden aufgeschlagenen Körper sieht (1:25:54 - 1:26:10), sei „McDonagh’s way of giving us anaother clue that Ken is a Christfigure in this scene.“[97]

Was bedeutet die jeweilige Art des Sterbens?

Bei den Todesfällen, die der Film zeigt, lassen sich mehrere und hierbei unterschiedliche tradierte Deutungen der jeweiligen Todesart feststellen.

Die Ermordung des kleinen Jungen

Über den Tod des kleinen Jungen werden zwei weitere Aspekte angesprochen, dem ebenfalls vormoderne und aber auch modernere Denkformen zugrunde liegen: Kindheit und der jähe Tod.
Kindheit an sich ist in ihrer im Film repräsentierten Form eine eher neuere Konzeption,[98] jedoch auch mit dem älteren Sicherheitsbedürfnis von „schutzlosen und unschuldigen“[99] Kindern verknüpft, was sich einst ebenfalls in der Argumentation von Gerichtsurteilen, die sich mit Kindsmorden beschäftigten und seit dem Jahre 1532 ebenfalls in der Gesetzgebung der Carolina[100] wiederfand, sich aber auch in Nottaufen, die die Seele des Neugeborenen erretten sollte,[101] zeigte.
Das Konzept des „vorzeitigen“ Todes, welches „das Vorhandensein eines ‚rechtzeitigen‘ Todes, also eines Todes zur ,rechten‘ Zeit“[102] impliziert und mit der jeweils als „normal“ und zeitgleich als gerecht empfundenen Lebenserwartung zusammenhängt,[103] hat sich mit dem medizinischen Fortschritt ebenfalls gewandelt.[104] Diese veränderten Bedingungen führten dazu, dass es inzwischen als Norm erachtet wird, dass Kinder die Möglichkeit haben „ein ,ganzes‘ Leben, das die ,normale‘ Lebenswartung voll ausschöpft“ [105], zu leben. Vor allem deshalb, weil „[d]ie Vorstellungen, die sich die Christen von Tod und Unsterblichkeit gemacht haben, […] im Lauf der Zeit großen Veränderungen unterworfen“[106] waren, lassen sich in der Tötung des kleinen Jungen im Film Denkmuster des mittelalterlichen Christentums ausmachen, die aus dieser Sicht die Grausamkeit der im Film begangenen Morde noch verstärkt.
Der Mensch im Mittelalter war von der Furcht geprägt, dass ein plötzlicher Tod es ihm nicht mehr ermöglichte in Buße zu sterben,[107] da für gewöhnlich „selbst schwere Verletzungen, selbst gewaltsame Unfälle […] im allgemeinen Zeit für den rituellen Todeskampf auf dem Sterbebett“[108] ließen und den Menschen „von der Kirche eingeschärft [worden war], daß nicht alle von der Kirche vorgeschriebenen und geforderten Abschiedsrituale eingehalten zu haben, als Garant für ein jammervolles Dasein im Jenseits galt.“[109] Gott war es nach den vermittelten christlichen Glaubensvorstellungen möglich in zweierlei Weisen zu handeln. Zum einen konnte er „den unbußfertigen und der Welt zugewandten Sünder mit dem Tod“ [110] bestrafen, was ihm eine mögliche Rückkehr nahm oder zum anderen war es Gott möglich „den Christen von seinem leidvollen Erdendasein [zu erlösen] und […] ihm den Himmel, wenn er die von der Kirche geforderte Lebens- und Todeshaltung befolgt hatte“[111], zu eröffnen. Daher setzte der jähe Tod, der sich nicht angekündigt hatte, „die Ordnung der Welt, an die jedermann glaubte, außer Kraft, [und galt als] absurdes Instrument eines [sich] zuweilen als Zorn Gottes […] verkleidenden Zufalls“[112]. Das Einhalten der kirchlichen Abschiedsrituale[113] war deshalb so gewichtig, da es „[n]icht der leibliche Tod war […], der den Menschen im Mittelalter schreckte, furchtbar war die Aussicht auf den ewigen Tod. Der Zustand der Verdammnis war das unabwendbare Schreckensbild für all diejenigen, die im Zustand schwerer Sünden aus dem Leben schieden.“ [114] Der kleine Junge scheidet demnach entweder unbußfertige aus dem Leben oder wird von Gott aus dem Jammertal des Lebens erlöst, was auf bildlicher Ebene im Film durch die Visualisierung des betenden Jungen, der sich gerade von seinen vermeintlichen Sünden lossagen möchte, eingefangen wird (0:23:24 - 0:24:19). Der zufällige Tod in einem geweihten Kirchenraum soll diese Empfindungen im Publikum noch verstärken. Das Papierstück in der Hand des Jungen, auf dem seine vermeintlichen Sünden zu lesen sind (0:23:55 - 0:24:03), verdeutlicht die Absurdität und vor allem die einstigen potentiellen Möglichkeiten dieses jungen Lebens noch einmal. Dementsprechend gelingt es die mittelalterliche Angst eines plötzlichen Todes mit all jenen unabwendbaren Folgen für das Nachleben in den Bildern des Filmes so einzusetzen, dass ebenjene Schwere und Ausweglosigkeit dem Publikum ebenfalls in Bezug auf den Tod des kleinen Jungen vermittelt wird. Was vor allem daran ersichtlich ist, dass es aus dem scheinbar sicheren Schoß der Kirche, einem Ort dem über das Kirchenasyl insbesondere in früherer Zeit große Sicherheit zukommt,[115] unvermittelt herausgerissen wird.
Was hier über den plötzlichen Tod des kleinen Jungen gesagt wurde, hat auch in Bezug auf die Figuren Jimmy und Father McHenry seine Gültigkeit, jedenfalls aus der Sichtweise eines mittelalterlichen Gläubigen. Jimmys gleichfalls zufälliger Tod entspräche wohl, mit seinem im Film sündhaft dargestellten Verhalten, einem „unbußfertigen und der Welt zugewandten Sünder“ [116], dem Gott durch sein Ableben eine mögliche Umkehr nimmt.

Das eventuelle Sterben Rays

Die letzten Einstellungen des Filmes, die den Krankentransport des angeschossenen Rays abbilden, nehmen das Element des „rituellen Todeskampf auf dem Sterbebett“[117] wiederum auf.
Mit der im 14. und 15. Jahrhundert aufkommenden Trennung von Auferstehung und Gericht verschwand „[d]as deutlich empfundene Intervall zwischen Gericht (als endgültigem Lebensabschluß) und physischem Tod“[118] und hierdurch wurde „das Schicksal der unsterblichen Seele im Augenblick des physischen Todes selbst entschieden.“[119] Was zur Folge hatte, dass der Zeitpunkt des Todes zum Zeitpunkt des persönlichen Jüngsten Gerichts geworden war.[120] Dieser Umstand führte zu einem Wandel der Bildgestaltung, die „zum archaischen Urbild des krank auf dem Sterbebette Ruhenden zurück[kehrte], das die Szenen des Jüngsten Gerichts überlagert hatten“[121]. Von da ab, bekräftigte „[d]er Christ […] auf seinem Grabstein zwar gelegentlich noch die Hoffnung, daß er eines Tages auferstehen werde; daß dieser Tag aber der der Wiederkunft oder des Weltendes sein würde, bekümmert ihn nicht mehr.“[122] Rays Todeskampf auf der Trage, verbildlicht durch das hin- und herbewegen seines Kopfes (1:36:00 - 1:36:45), und seiner zweimaligen Bitte vermittelt durch seine Offstimme „I really really hoped I wouldn’t die.“ (1:36:51 - 1:37:01), wie auch seiner vorherige Befürchtung, dass es das schlimmste wäre die Ewigkeit in Brügge - dem Fegefeuer - zu verbringen,[123] nimmt diese Vorstellung auf.

Die übrigen Tode im Film

Die beiden anderen Todesfälle, die „Brügge sehen … und sterben?“ enthält, sind der Freitod Kens (1:23:05 - 1:27:10) und die Selbsttötung Harrys (1:33:55 - 1:35:44).
Harry, who is sentimental about children and childhood, […] is now covinced that he has, like Ray, killed a child accidentally. Earlier in the film, when Ken had protested that Harry didn’t have to kill Ray because the guilt-ridden young man was suicidal and ,kept going on about Hell and Purgatory,‘ Harry was unmoved, saying, ,If I’d killed a little kid, accidentally or otherwise, I wouldn’t’ve thought twice, I’d’ve killed myself on the fucking spot! On the fucking spot! I’d’ve stuck the gun in my mouth on the fucking spot!‘ […] Now standing in the middle of the film set, thinking that he too has killed a child, Harry, keeping his word with the inflexible a ,honour‘ of the Stage Englishman, draws himself up, says ,you’ve got to stick to your priniples‘ […] sticks his gun in his mouth, and before Ray can explain that Jimmy is not a child, commits suicide.[124]
Harrys Handeln wird noch durch seine vorherige Aussage, „‚He’s suicidal.‘ I’m suicidal! You’re suicidal! Everybody’s fucking suicidal!“[125] (1:10:57 - 1:11:02) unterstrichen, und verdeutlicht, dass seine Selbsttötung als Akt seines Gewissens seiner eigenen Moral folgt.
Nach dem kirchlichen Verbot aus dem sechsten Jahrhundert nach Christus, welches sich auf das sechste Gebot „Du sollst nicht töten“ bezog,[126] wurde nach und nach „der Selbstmord zur tödlichsten aller christlichen Sünden“[127] stilisiert. Denn das Individuum sollte nicht einen Akt vollziehen, der im Verständnis des Christentums dem „Gesetz einer kosmischen Souveränität [unterlag], die den Tod zur gegebenen Zeit selbst gibt und diese Gabe für sich allein vorbehält“[128]. Derart war es „gerade jener Tod, der der Verzweiflung folgt, der unter das Verdikt des (christlichen) Gesetzes fällt, weil er sowohl die Kraft der Kirche als auch des Gottes zur Vergebung seiner Sünden zu schmälern scheint.“[129] Harry tötet sich in einer solchen Situation, da er nach seinen Wertevorstellungen nicht weiß, wie er mit der Ermordung eines Kindes weiterleben kann. Hier zeigt sich die christliche „Ächtung der Kindstötung und der Abtreibung […] [, die] auf einer Ehrfurcht vor dem Leben“[130] beruht, aber gleichfalls eine Ächtung dem selbst herbeigeführten Tod gegenüber einbeziehen würde.[131] Harrys Selbsttötung, die nach seinem „Auge um Auge“-Verständnis moralisch richtig ist, wird hierdurch im religiösen Verständnis jedoch verwerflich.
Dadurch, dass Kens Tod filmisch über die Parallelisierung mit der Opferung Jesu vor allem mit dem Leid der Kreuzigung nicht als Selbstmörder, sondern gewissermaßen als eine Art Märtyrer inszeniert wird,[132] rekurriert „Brügge sehen … und sterben?“ auf eine der Grundlagen des Christentums, belegt aber zugleich auch den Zwiespalt zwischen Märtyrertum und untersagtem Selbstmord,[133] der am deutlichsten im Kontrast der Tode von Ken und Harry wird.

Fazit

Dieser Blogeintrag hat gezeigt, dass die Vorstellung des Jüngsten Gerichts, auf welche der Film vermittels der Gemälde im Groeningemuseum gezielt anspielt, nicht die einzige Form vormodernen Denkens innerhalb von „Brügge sehen … und sterben?“ ist. Mit der Motivik des Jüngsten Gerichts ist denn noch der Glaube an Sünde, Bestrafung, einem Leben nach dem Tod und dem Aufenthalt im Fegefeuer verbunden. Ferner lassen sich innerhalb dieses Themenkomplexes noch weitere religiös beeinflusste Vorstellungen finden, wie etwa die christliche Erlöserfigur oder aber vormoderne Auffassungen darüber, dass die Art des jeweiligen Todes eine bestimmte Bedeutung für die Existenz im Jenseits hat.
From the opening of the film to the very last frame before the credits, McDonagh makes a sustained and meticulous effort to link Bruges to Purgatory, in order to ask probing questions about the spiritual condition of humankind, including our beliefs about morality, guilt, and the afterlife.[134]
Es sind diese Verweise mit denen die Zuschauenden über ihre Kenntnisse der christlichen Lehre die Konflikte der hier dargestellten Figuren begreifen können. Durch das Verhandeln jener vormodernen Glaubensvorstellungen innerhalb des Filmes wird das Publikum dazu gezwungen, sich für sich selbst über „Brügge sehen … und sterben?“ hinaus mit diesen Denkformen auseinanderzusetzen. Wodurch der Film, der nur über dieses vormoderne Denken verstehbar wird, gleichzeitig auch die Gültigkeit dieser Denkformen hinterfragt. 
Primärquellen

Hugo, Victor: Der Glöckner von Notre-Dame. Diogenes Verlag, Zürich 101985.

McDonagh, Martin: Brügge sehen … und sterben? Universum Film GmbH, München 2008.



Sekundärquellen

Ainsworth, Maryan W.: Gerard David. Purity of Vision in an Age of Transition. The Metropolitan Museum of Art, New York 1998.

Ahrens, Jörn: Selbstmord. Die Geste des illegitimen Todes. Wilhelm Fink Verlag, München 2001.

Alvarez, Alfred: Der grausame Gott. Eine Studie über den Selbstmord. Hoffmann und Campe, Hamburg 1982.

Ariès, Philippe: Geschichte des Todes. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 51999.

Bednarz, Anja: Den Tod überleben. Deuten und Handeln im Hinblick auf Sterben eines Anderen. Westdeutscher Verlag, Wiesbaden 2003.

Brunner, Emil: Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. Dogmatik Band II. Zwingli Verlag, Zürich 21960.

Cagol, Elonora: Das Jüngste Gericht. In: Staatliche Kunstsammlungen Dresden (Hrsg.): Hieronymus Boschs Erbe. Deutscher Kunstverlag, Berlin 2015. S. 114 - 131.

Evangelische Kirche in Deutschland und Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR: Die Bibel. Nach der Übersetzung von Martin Luthers. Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart 1985.

Friedländer, Max J.: Die altenniederländische Malerei. Band 9. Joos van Cleve - Jan Provost - Joachim Patenier. Paul Cassirer, Berlin 1931.

Friedländer, Max J.: Von Eyck bis Breugel. Studien zur Geschichte der Niederländischen Malerei. Julius Bard, Berlin 1916.

Görisch, Christoph: Kirchenasyl und staatliches Recht. In: Hans-Uwe Erichsen, Helmut Kollhosser und Jürgen Welp (Hrsg.): Münsterische Beiträge zur Rechtswissenschaft. Band 129. Duncker & Humblot GmbH, Berlin 2000.

Labouvie, Eva: Kindsmord in der Frühen Neuzeit. Spurensuche zwischen Gewalt, verlorener Ehre und der Ökonomie des weiblichen Körpers. In: Metz-Becker, Marita: Kindsmord und Neonatizid. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf die Geschichte der Kindstötung. Jonas Verlag, Marburg 2012.

Landschaftsverband Rheinland, Red.: Michael Faber: Kindheit – Spielzeit? Führer durch die Ausstellung mit den Sammlungen H. G. Klein, Maria Junghanns. Rheinland-Verlag GmbH, Köln 1993.

Lonergan, Patrick: The theatre and films of Martin McDonagh. Methuen Drama, London 2012.

Mischke, Marianne: Der Umgang mit dem Tod. Vom Wandel in der abendländischen Geschichte. In: Forschungszentrum für Historische Anthropologie der Freien Universität Berlin (Hrsg.): Reihe Historische Anthropologie. Band 25. Dietrich Reimer Verlag, Berlin 1996.

Münkler, Marina: Sündhaftigkeit als Generator von Individualität. Zu den Transformationen legendarischen Erzählens in der Historia von D. Johann Fausten und den Faustbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. In: Peter Strohschneider (Hrsg.): Literarische und religiöse Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit. DFG-Symposion 2006. De Gruyter, Berlin 2009.

Rembert, Virgina Pitts: Bosch. Hieronymus Bosch und die Lissabonner Verführung: Eine Perspektive aus dem dritten Jahrtausend. Parkstone International / Kroemer, Köln 2004.

Tanner, Ralph: Sex, Sünde, Seelenheil. Die Figur des Pfaffen in der Märenliteratur und ihr historischer Hintergrund (1200-1600). Königshausen und Neumann, Würzburg 2005.

Unverfehrt, Gerd: Wein statt Wasser. Essen und Trinken bei Jheronimus Bosch. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003.

Weber-Kellermann, Ingeborg: Die helle und die dunkle Schwelle. Wie Kinder Geburt und Leben erleben. Verlag C.H. Beck, München 1994.



Internetquellen

Clare, David: A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. In: Emerging Perspectives 3.1. 2012. http://www.academia.edu/3537771/_A_Belgian_Town_as_Purgatory_and_an_Irish_Gangster_as_Christ_in_Martin_McDonagh_s_In_Bruges_._Emerging_Perspectives_3.1_Autumn_2012_47-60, am 09.04.2016.

Capone: Capone questions Martin McDonagh about the film he directed IN BRUGES!!! http://www.aintitcool.com/node/35511, am 10.04.2016.

McDonagh, Martin:  IN BRUGES. http://de.scribd.com/doc/133625227/IN-BRUGES#scribd, am 10.04.2016.






[1] Martin McDonagh: Brügge sehen … und sterben?, Rückseite der DVD-Hülle.

[2] Vgl. Ebd.

[3] Patrick Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 151.

[4] Elonora Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 114.

[5] Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 151.

[6] Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 150.

[7] Vgl. Ebd.

[8] Vgl. David Clare: A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.

[9] Vgl. Clare: A Belgian Town as Purgatory, S. 53.

[10] Philippe Ariès: Geschichte des Todes, S. 123.

[11] Ebd.

[12] Ariès: Geschichte des Todes, S. 124.

[13] Ariès: Geschichte des Todes, S. 123.

[14] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 125.

[15] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 128 f.

[16] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 124 f.

[17] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 129.

[18] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 132.

[19] Ariès: Geschichte des Todes, S. 133.

[20] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 136.

[21] Ariès: Geschichte des Todes, S. 133.

[22] Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 115.

[23] Martin McDonagh: IN BRUGES, S. 20

[24] McDonagh: IN BRUGES, S. 50.

[25] Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 153.

[26] Ebd. 

[27] McDonagh: IN BRUGES, S. 51.

[28] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 130.

[29] Marianne Mischke: Der Umgang mit dem Tod. Vom Wandel in der abendländischen Geschichte, S. 55.

[30] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 179.

[31] Ariès: Geschichte des Todes, S. 132 f.

[32] Vgl. 2.Mo 21,23–25, 3.Mo 24,19–20 und 5.Mo 19,21. In: Evangelische Kirche in Deutschland und Bund der Evangelischen Kirchen in der DDR: Die Bibel. Nach der Übersetzung von Martin Luthers, Altes Testament S. 82, 134 und 207.

[33] Vgl. Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 149.

[34] Ebd.

[35] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 57.

[36] McDonagh: IN BRUGES, S. 21 f.

[37] Vgl. Max J. Friedländer: Die altenniederländische Malerei. Band 9. Joos van Cleve - Jan Provost - Joachim Patenier, S. 75 f.

[38] Vgl. Maryan W. Ainsworth: Gerard David. Purity of Vision in an Age of Transition, S. 61.

[39] Ainsworth: Gerard David,  S. 61.

[40] Max J. Friedländer: Von Eyck bis Breugel. Studien zur Geschichte der Niederländischen Malerei, S. 68.

[41] Ainsworth: Gerard David,  S. 61.

[42] Ainsworth: Gerard David, S. 72.

[43] „A more likely interpretaiton recognaizes the Justice of Cambyses as part of a medieval tradition of exempla, depicting secular and religios judgement sceens that hung in the same town hall chambers togethert.“ In: Ainsworth: Gerard David, S. 62.

[44] Vgl. Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 114 und Virgina Pitts Rembert: Bosch. Hieronymus Bosch und die Lissabonner Verführung: Eine Perspektive aus dem dritten Jahrtausend, S. 148.

[45] Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 121.

[46] Vgl. Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 121.

[47] Rembert: Bosch, S. 148.

[48] Vgl. Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 114.

[49] Rembert: Bosch, S. 117.

[50] „Die Scholastik des 13. Jahrhunderts war maßgeblich für die Akzentuierung und die Systematisierung der Dämonologie verantwortlich. Thomas von Aquin bestand auf der Existenz eines Reichs der Dämonen unter der Herrschaft des Teufels, die den Menschen mit Gottes Erlaubnis jederzeit attackieren konnten. Beim Tod des Menschen stritten Satan und seine Dämonen mit den Engeln um die Seelen der Verstorbenen und konnten, wenn sie erfolgreich waren am Menschen furchtbare Rache für die in seinem Leben begangenen Sünden nehmen. Für die Analphabeten, die die schwierigen theologischen Texte nicht lesen konnten, wurden Aussehen und Praktiken der Teufel ebenso wie Gott und seine Helfer in Skulpturen an Kirchenwänden und Bildern in den Fenstern und in Manuskripten abgebildet.“ In: Rembert: Bosch, S. 148.

[51] Rembert: Bosch, S. 117.

[52] Ebd. 

[53] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.

[54] McDonagh: IN BRUGES, S. 20

[55] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.

[56] „Viele dieser schrecklichen Folterszenen [in Boschs „Weltgerichtstriptychon“] lassen sich aufgrund eines Vergleichs mit der Tischplatte in Madrid [„Die Sieben Todsünden“ von Hieronymus Bosch] als eine Darstellung der Todsünden identifizieren. So kriecht über das Laken eines Betts ein furchterregendes Reptil – ein Motiv, das für die Wollust steht (luxuria). Eine Frauengestalt wird aufgrund ihres Hochmuts am Geschlecht gebissen (superia). Ebenso wird ein Maßloser von Dämonen gezwungen, eine Flüssigkeit zu trinken, die nicht aus einem Fass, sondern aus dem Hintern einer darüber hockenden Gestalt kommt (gula). Daneben werden Geizige in Pfannen oder am Spieß gebraten (avaritia).“ In: Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 120. Denn „[d]ie irdische Völlerei setzte sich […] als Höllenstrafe fort. Eine weitere Tortur besteht darin, gefressen zu werden.“ In: Gerd Unverfehrt: Wein statt Wasser. Essen und Trinken bei Jheronimus Bosch. S. 78.

[57] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.

[58] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.

[59] Vgl. Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 145 f.

[60] Kens Hinweis auf Rays Bemerkung, dass er nicht in Brügge bleiben will (0:02:48 - 0:03:22), jene zwei Kinder an den Händen ihrer Eltern (0:22:29 - 0:22:43), dem Schülerlotsen (0:27:50 - 0:29:20), der Spielplatz, an dem sich Ray das Leben nehmen möchte (0:55:55 - 0:57:10) und Jimmy in seiner Schuluniform (1:34:12 - 1:34:20).

[61] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.

[62] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 48.

[63] Vgl. Ebd. 

[64] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 47.

[65] „Capone: […] The characters in the film reminded me of the people in the Bosch painting, trapped in purgatory. MM: That’s what I was trying to do, the film within the film is kind of like some kind of European art film about Bosch, but with guns.“ In: Capone: Capone questions Martin McDonagh about the film he directed IN BRUGES!!!

[66] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 57.

[67] Cagol: Das Jüngste Gericht, S. 115.

[68] McDonagh: IN BRUGES, S. 20

[69] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 588.

[70] Ebd.

[71] Von der Offstimme von Ray, die ausschließlich am Anfang und am Ende des Films zu hören ist und dementsprechend auch noch einmal einen Rahmen für seinen Aufenthalt in Brügge bilden kann, heißt es: „After I’d killed him, I dropped the gun in the Thames, washed the residue off my hands in the bathroom of a Burger King, and walked home to await instructions. Shortly thereafter, the instructions came through. ,Get the fuck out of London you dumb fucks. Get to Bruges.‘ I didn’t even know where Bruges fucking was. […] It’s in Belgium“ (0:00:59 - 0:01:27) In: McDonagh: IN BRUGES, S. 2.

[72] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 56.

[73] In Bezug auf Jimmys Tötung durch Harry und die kurze Szene für Ray zuvor, in der er Jimmy in der Schuluniform am Set des Drehs sieht, meint David Clare: „The now hallucinating Ray thinks at first that Jimmy is the boy that he killed in the church back in London and is once again in the horrors, his Judgment Day having arrived at last.“ In: A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 53.

[74] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 54.

[75] In den Darstellungen des Weltgerichts greifen auch „Fürsprecher […] ein und spielen eine Rolle, die der Text des Matthäus-Evangeliums nicht vorgesehen hatte, die Doppelrolle des Advokaten (patronus) und des Bittstellers (advocare Deum), die an die Barmherzigkeit appellieren, d. h. an die Gnade des souveränen Richters. Wie aber der Richter der ist, der den Schuldigen begnadigt, so ist er doch auch der, der ihn verdammt, und einigen seiner Vertrauten obliegt es, ihn zur Milde zu stimmen. Hier fällt diese Rolle seiner Mutter und seinem Jünger zu, die ihm zu Füßen seines Kreuzes Beistand geleistet haben – der Heiligen Jungfrau und dem Evangelisten Johannes. Am Portal von Autun sieht man sie zunächst noch ganz unauffällig in Erscheinung treten […]. Im 13. Jahrhundert sind sie dann zu Hauptfiguren der Handlung geworden, und ihre Bedeutung kommt der des seelenwägenden Erzengels gleich. Sie liegen auf den Knien und flehen mit gefalteten Händen den richtenden Christus an.“ In: Ariès: Geschichte des Todes, S. 131.

[76] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 129-131.

[77] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 49.

[78] Emil Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. Dogmatik Band II. S. 121.

[79] Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. S. 120.

[80] Vgl. Anja Bednarz: Den Tod überleben. Deuten und handeln im Hinblick auf Sterben eines Anderen, S. 141 f.

[81] McDonagh: IN BRUGES, S. 21 f.

[82] Marina Münkler. Sündhaftigkeit als Generator von Individualität. Zu den Transformationen legendarischen Erzählens in der Historia von D. Johann Fausten und den Faustbüchern des 16. und 17. Jahrhunderts. S. 25.

[83] Lonergan: The theatre and films of Martin McDonagh, S. 150 f.

[84] Brunner, Die christliche Lehre von Schöpfung und Erlösung. S. 121.

[85] Rembert: Bosch, S. 232.

[86] Vgl. Ralph Tanner, Sex, Sünde, Seelenheil. Die Figur des Pfaffen in der Märenliteratur und ihr historischer Hintergrund (1200-1600). S. 196.

[87] Ebd. 

[88] McDonagh: IN BRUGES, S. 50. 

[89] „Opfer werden in der Bibel von Anfang an (1. Mose 4,3) und bei allen Völkern vorausgesetzt; sie sind stets mit Gebet, mit Anrufen des Gottesnamens verbunden (1. Mose 12,8). […] [D]as Sündopfer und Schuldopfer, bei dem die sühnende Kraft in dem Blut des Tieres als dem Sitz des Lebens gesucht wurde,“ In: Bibel, Anhang S. 29. bildet über den Bund, den das Blut der Opfertiere zwischen Gott und seinen Gläubigen schuf, die Grundlage auf der Jesus seinen Tod als einen neuen Bund deutet. Vgl. In: Bibel, Anhang S. 9. Folglich ist in Mt 26,28 zu lesen: Jesus „nahm den Kelch und dankte, gab ihnen den und sprach: ,Trinket alle daraus; das ist mein Blut des Bundes, das vergossen wird für viele zur Vergebung der Sünden.“ In: Bibel, Neues Testament S. 38.

[90] Ariès: Geschichte des Todes, S. 123.

[91] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 50.

[92] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 51.

[93] Ebd.

[94] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 51.

[95] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 52.

[96] Ebd. 

[97] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 53.

[98] „Kindheit war früher etwas anderes als heute. Bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts gab es keine strikte Trennung zwischen Kinder- und Erwachsenenwelt. Nach Verlassen des Kleinkindalters, in dem das Kind von der Betreuung anderer vollkommen abhängig ist, wuchs es vom dritten Lebensjahr allmählich in die Welt der Erwachsenen hinein. In den gemeinsamem Wohn- und Arbeitsräumen der Familie nahm das Kind am Alltag der anderen teil und erlernte durch tägliche Anschauung und frühe Mithilfe nach und nach alle wichtigen Arbeitsabläufe. Ob in der Landwirtschaft, im Handwerk oder im städtischen Bürgertum – diese tägliche Erfahrungen galten mehr als das schulische Lernen. Kinder wurden als kleine, noch unfertige Erwachsene angesehen. Sobald die Kinder laufen oder sprechen konnten, trugen sie die Kleidung der Erwachsenen und waren in deren Alltag und Feste integriert. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts vollzog sich allmählich ein Wandel in der Einstellung zum Kind. Die Entdeckung von ,Kindheit‘ als eigenständige Lebensphase zwischen dem Kleinkindalter und dem Erwachsensein blieb jedoch bis zur Jahrhundertwende noch ganz auf das Bürgertum beschränkt.“ In: Landschaftsverband Rheinland, Red.: Michael Faber: Kindheit – Spielzeit? Führer durch die Ausstellung mit den Sammlungen H. G. Klein, Maria Junghanns, S. 22.

[99] Eva Labouvie: Kindsmord in der Frühen Neuzeit. Spurensuche zwischen Gewalt, verlorener Ehre und der Ökonomie des weiblichen Körpers, S. 10.

[100] Vgl. Labouvie: Kindsmord in der Frühen Neuzeit, S. 10.

[101] Vgl. Ingeborg Weber-Kellermann: Die helle und die dunkle Schwelle. Wie Kinder Geburt und Leben erleben, S. 22-24.

[102] Bednarz: Den Tod überleben, S. 77.

[103] Vgl. Bednarz: Den Tod überleben, S. 78.

[104] „Aber nicht nur das erste Säuglingsjahr brachte so viele Gefahren, auch in den folgenden 3–4 Jahren schien für die Kleinkinder das Sterben wahrscheinlicher als das Überleben. Zu den […] äußeren Gründen der mangelnden medizinischen Versorgung und Hygiene gesellte sich eine gewisse […] Gleichgültigkeit gegenüber den Kindern, die noch nicht so recht als menschliche Wesen angesehen wurden. […] Dem verstorbenen Kind – so meinte man – würde bald ein neues folgen, dessen bloße Ersatzfunktion häufig sogar darin Ausdruck fand, daß es den gleichen Namen wie das tote Geschwisterchen erhielt.“ In: Weber-Kellermann: Die helle und die dunkle Schwelle, S. 18.

[105] Bednarz: Den Tod überleben, S. 78.

[106] Ariès: Geschichte des Todes, S. 124.

[107] Vgl. Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.

[108] Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.

[109] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 40 f.

[110] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.

[111] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.

[112] Ariès: Geschichte des Todes, S. 19 f.

[113]  „Die Handlungen, die vom Sterbenden vollzogen werden, nachdem sein nahes Ende sich ihm angekündigt hat – er ruht mit dem Gesicht zum Himmel, gen Osten gewendet, die Hände auf der Brust verschränkt –, haben einen zeremoniellen, rituellen Charakter. Es lassen sich darin noch mündliche Elemente dessen ausmachen, was später zum mittelalterlichen, von der Kirche als Sakrament eingeführten Testament werden sollte: das Glaubensbekenntnis, die Beichte der Sünden, die Bitte um Verzeihung für die Hinterbliebenen, die frommen Verfügungen zu ihren Gunsten, die Empfehlung der eigenen Seele an Gott, die Wahl des Grabes. Man hat den Eindruck, als ob das Testament die Verfügungen und Gebete schriftlich aufzeichnen und verbindlich machen sollte, die die Dichter der Heldenepen der Spontaneität der Sterbenden anheimstellten.“ In: Ariès: Geschichte des Todes, S. 29.

[114] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 38.

[115] „Das ,berühmteste Beispiel für das Kirchenasyl ist kein reales, sondern ein literarisches: In […] ,Notre-Dame de Paris“, dessen Handlung im Paris des ausgehenden 15. Jahrhunderts spielt, schildert Victor Hugo an zentraler Stelle zunächst konkret die Flucht der beiden Hauptfiguren […] ins Kirchenasyl, um kurz darauf zur Erklärung den Gedanken des Kirchenasyls im mittelalterlichen Verständnis in allgemeiner Form zu erläutern. Auf dieses Beispiel – wird in unterschiedlicher Tendenz – noch in der aktuellen Diskussion um die rechtliche Beurteilung des Kirchenasyls in Deutschland Bezug genommen.“ In: Christoph Görisch: Kirchenasyl und staatliches Recht. S. 19. Bei Hugo ist denn auch zu lesen: „Es kam manchmal vor, daß ein feierlicher Paralmentserlaß die Zufluchtsstätte verletzte und den Verurteilten dem Henker überlieferte; aber es geschah selten. Die Gerichtshöfe traten dadurch den Bischöfen zu nahe, und wenn diese beiden Würdenträger aneinander gerieten, hatte die Amtsrobe kein leichtes Spiel gegen die Soutane. Manchmal jedoch […] trug der Gerichtshof den Sieg über die Kirche davon und ließ das Urteil vollstrecken; aber wehe dem, der es wagte ohne Parlamentsbeschluß mit bewaffneter Hand einen Zufluchtsort zu entweihen!“ In: Victor Hugo: Der Glöckner von Notre-Dame, S. 380.

[116] Mischke: Der Umgang mit dem Tod, S. 39.

[117] Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.

[118] Ariès: Geschichte des Todes, S. 137.

[119] Ebd. 

[120] Vgl. Ariès: Geschichte des Todes, S. 137 f.

[121] Ariès: Geschichte des Todes, S. 138.

[122] Ariès: Geschichte des Todes, S. 137.

[123] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S.54 f.

[124] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S.54.

[125] McDonagh: IN BRUGES, S. 72

[126] Vgl. Alfred Alvarez: Der grausame Gott. Eine Studie über den Selbstmord, S. 63.

[127] Alvarez: Der grausame Gott, S. 84.

[128] Jörn Ahrens: Selbstmord. Die Geste des illegitimen Todes, S. 61.

[129] Ahrens: Selbstmord, S. 75 f.

[130] Alvarez: Der grausame Gott, S. 64.

[131] Vgl. Ebd.

[132] Vgl. A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 52.

[133] Alvarez: Der grausame Gott, S. 84.


[134] A Belgian Town as Purgatory and an Irish Gangster as Christ in Martin McDonaght’s In Bruges. S. 56.